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Sender der ProSiebenSat.1-Gruppe Österreich kritisieren DVB-H Novelle scharf: Privilegierung des ORF widerspricht sowohl Verfassungsrecht als auch Europarecht

Der vorliegende Gesetzesentwurf zu DVB-H sieht unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen für öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk vor. Dies betrifft vor allem den gesetzlich verankerten Recht...

Der vorliegende Gesetzesentwurf zu DVB-H sieht unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen für öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk vor. Dies betrifft vor allem den gesetzlich verankerten Rechtsanspruch des ORF auf Verbreitung seiner Programme ORF1 und ORF2 („Must Carry Status“). Darüber hinaus fehlen eine effektive gesetzliche Beschränkung von Quersubventionen innerhalb des ORF sowie eine Verpflichtung des ORF zu marktkonformem Verhalten. Da diese Privilegierungen einer sachlichen Rechtfertigung entbehren, ist die Novelle nach Meinung von Sat.1 Österreich und ProSieben Austria damit verfassungswidrig. Zudem verstößt sie gegen geltendes Europarecht, konkret gegen die Bestimmungen zu freiem Dienstleistungsverkehr und gegen die Wettbewerbsregeln. Corinna Drumm (Sat.1 Österreich) und Markus Breitenecker (ProSieben Austria) fordern daher eine umfassende Überarbeitung und gleiche Regeln für alle.

Wien, 25. Mai 2007

Ende April wurde dem österreichischen Parlament ein Gesetzesentwurf vorgelegt, der die Einführung von DVB-H Österreich regeln soll. Dieser Entwurf sieht nach Meinung der Sender der ProSiebenSat.1-Gruppe in Österreich unmittelbare und mittelbare Privilegierungen des ORF gegenüber privaten Rundfunkveranstaltern vor. Darüber hinaus sind kartellrechtliche Probleme und Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung des ORF zu befürchten. Daher kritisieren Corinna Drumm, Geschäftsführerin von Sat.1 Österreich, und Markus Breitenecker, Geschäftsführer von ProSieben Austria, die geplante Novelle scharf.

Eine unmittelbare Bevorzugung des ORF ergibt sich schon aus dem Must-Carry-Status, der einen Rechtsanspruch auf Verbreitung der Programme ORF1 und ORF2 über DVB-H begründet. Darüber hinaus soll der ORF das Recht haben, ORF1 und ORF2 im freizugänglichen Paket zu verbreiten. Mit Ausnahme von ATV haben Privatsender hingegen keinen Rechtsanspruch auf Verbreitung ihrer Programme und sollen auch nur über das entgeltliche Basispaket oder das ebenfalls kostenpflichtige Premiumpaket empfangbar sein. „Der Must-Carry-Status ist sachlich nicht zu rechtfertigen. Dadurch ergibt sich gegenüber dem ORF ein klarer Wettbewerbsnachteil für die Privaten.“, stellt Corinna Drumm fest.

Darüber hinaus bewirkt die Erweiterung des Unternehmensgegenstands des ORF Vorteile für den öffentlich-rechtlichen Mitbewerber: Der ORF erhält die Möglichkeit, im kommerziellen Bereich geldwerte Vorteile aus dem gebührenfinanzierten, nicht-kommerziellen Bereich zu ziehen. „So ist es dem ORF z.B. möglich, Nachrichten, die von seinem mit Gebühren finanzierten Korrespondentennetz erzeugt wurden, für kommerzielle Contents im mobilen Fernsehen zu nutzen, ohne dafür ein angemessenes Entgelt bezahlen zu müssen. Eine effektive gesetzliche Beschränkung des ORF ist in diesem Bereich nicht vorgesehen.“, erklärt Markus Breitenecker, und fügt hinzu „Privatsendern sind vergleichbare Quersubventionierungen nicht möglich.“ Ebenso gibt es keine Verpflichtung des ORF zu marktkonformem Verhalten gegenüber seinen Tochtergesellschaften, die im Bereich des mobilen Fernsehens kommerziell tätig sind.

Eine sachliche Rechtfertigung für die Privilegierung des ORF gegenüber den privaten Mitbewerbern fehlt im Gesetzesentwurf. Das unterstellte ‚berechtigte Interesse der Allgemeinheit’, ORF1 und ORF2 auch über DVB-H empfangen zu können, steht sogar im Widerspruch zu den angeführten Unterschieden bei Technik und Nutzerverhalten: „Wenn der Gesetzgeber davon ausgeht, dass kleinere Bildschirme und kürzere Nutzungsdauern andere Inhalte erfordern, dann ist nicht nachvollziehbar, warum die Ausstrahlung der regulären Fernsehprogramme ORF1 und ORF2 über DVB-H im allgemeinen Interesse liegen sollte.“, so Corinna Drumm.

Damit verstößt der Gesetzesentwurf jedoch gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Gleichheitsrecht. „Der ORF ist nach der derzeitigen Rechtslage ohnehin mehrfach privilegiert, etwa durch die Gebührenfinanzierung.“, hält Markus Breitenecker fest. „Die weitere Privilegierung des ORF im Bereich DVB-H ist sachlich nicht zu rechtfertigen und wäre daher verfassungswidrig.“

Außerdem verstoßen die Privilegierungen des ORF gegen die Vertragsvorschriften des Art. 49 des EG-Vertrags über den freien Dienstleistungsverkehr sowie gegen die Wettbewerbsregeln der Art. 86 Abs. 1 und Art. 87 des EG-Vertrags. „Es fehlt vor allem eine klare gesetzliche Verpflichtung des ORF zu marktkonformem Verhalten bei kommerziellen Tätigkeiten im Bereich des mobilen Fernsehens. Unter Berücksichtigung der herrschenden Spruchpraxis der Europäischen Kommission führt dies zu einem Verstoß gegen das Verbot staatlicher Beihilfen.“, so Corinna Drumm. Daher seien insbesondere die Aufnahme einer gesetzlichen Verpflichtung zu marktkonformem Verhalten sowie eine effektiven Kontrolle unabdingbar.

Darüber hinaus ist zu befürchten, dass der ORF seine marktbeherrschende Stellung missbräuchlich nutzt, falls die 60%-Tochter ORS Betreiber der DVB-H Multiplex-Plattform wird. Daher fordert Breitenecker: „Das in anderen Rechtsbereichen, etwa der Energiewirtschaft, bewährte Modell eines ‚Unbundlings’ von Infrastruktur und Programm ist auch bei DVB-H eindeutig geboten. Der Betreiber der Multiplex-Plattform wäre auf den technischen Betrieb zu beschränken, während die Auswahl der Programme der Regulierungsbehörde obliegen sollte.“

Vorgeschlagen wird daher eine alternative Rollenverteilung: Der Multiplex-Betreiber ist für den Betrieb des Sendernetzes und von Teilen der Systemplattform zuständig, die Mobilfunkbetreiber für technische Dienstleitungen wie Verschlüsselung, SMS und Billing, und die Rundfunkveranstalter für die Produktion von Content. Breitenecker stellt klar: „Da es im Rundfunkmarkt – anders als im Telekommunikationsmarkt – nicht nur um wettbewerbliche Aspekte geht, sondern auch um Inhalte und Pluralismus, gibt es hier andere Regulierungserfordernisse. Die Vergabe von Frequenzen darf daher nicht allein von Mobilfunkbetreibern oder dem Multiplex-Betreiber vorgenommen werden. Vielmehr sollte die KommAustria hier zum Schutz der Meinungsvielfalt eine starke Rolle übernehmen.“

„Die derzeit vorgesehenen Privilegierungen des ORF sind sachlich nicht gerechtfertigt.“, hält Drumm nochmals fest. „Sollten die geplanten Änderungen wie im derzeit vorliegenden Gesetzesentwurf vorgesehen in Kraft treten, sind zumindest teilweise Aufhebungen wegen Verfassungswidrigkeit vorgezeichnet. Darüber hinaus riskiert die Republik Österreich die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens sowie die Einleitung eines wettbewerbsrechtlichen Verfahrens wegen Gewährung verbotener Beihilfen an den ORF durch die zuständigen Behörden der EU.“ Abschließend hält Breitenecker fest: „Im Interesse der Rechtssicherheit gilt es, diese Entwicklungen zu vermeiden, um es sämtlichen Marktteilnehmern zu ermöglichen, weiter am Aufbau einer gesunden dualen Rundfunkordnung in Österreich zu arbeiten.“

Rückfragen:
Corinna Drumm, Sat.1 Österreich, Tel. +43 / 1 / 5811211, drumm@sat1.at
Markus Breitenecker, ProSieben Austria, Tel. +43 / 1 / 3687766-0, markus.breitenecker@sevenonemedia.at

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